Wind´l für´s Kind´l
Stoffwindeln als Zero Waste Alternative
Wir haben mit Clara gesprochen. Sie setzt sich seit der Geburt ihrer Tochter für müllfreies Wickeln ein und hat sogar ein kleines Unternehmen für Stoffwindeln gegründet: Wind´l für´s Kind´l. Lest selbst, was sie motiviert und was sie sich für eine müllfreie Stadt wünscht.
Hey Clara, Wie ist die Idee für Wind´l fürs Kind´l entstanden und was genau verbirgt sich hinter deinem Geschäftsmodell?

Nach der Geburt unserer Tochter sind wir durch eine Freundin auf Stoffwindeln aufmerksam geworden und haben zunächst mit Stoffwindeln vom Markt gewickelt. Mit der Passform wurden wir aber einfach nicht glücklich. Ich habe dann angefangen eigene Prototypen zu entwickeln und zunächst den Bekanntenkreis „benäht“. Die Arbeit hat mich regelrecht gepackt und das Feedback zu meinen Windeln war durchweg positiv, so ist das Label „Wind’l fürs Kind’l“ entstanden. Stoffwindeln müssen bequem fürs Baby und die Eltern sein, sprich eine gute Passform ist enorm wichtig und sie müssen alltagstauglich sein.
Ich verwende hauptsächlich zertifizierte Bio-Stoffe, achte auf die Langlebigkeit der Materialien und biete einen Reparatur-Service an. Die Wind’l ist vegan, es gibt keine Materialien tierischen Ursprungs im Shop. Und auch das Auge soll natürlich nicht zu kurz kommen – weder das der Kinder noch das der Eltern. Es soll für jeden was dabei sein und Freude machen.
Wickeln mit gutem Gefühl
Bis ein Kind windelfrei ist, braucht es im Durchschnitt ca. 4000 bis 5000 Windeln. Bei herkömmlichen Einwegwindeln bedeutet das etwa 1 Tonne Müll pro Kind. Wiederverwendbare Stoffwindeln erzeugen zwar deutlich weniger Müll, dafür entstehen aber sehr hohe Energie- und Wasserverbräuche durch das Waschen. Eine Alternative zu herkömmlichen Einwegwindeln aus Plastik sind neben Stoffwindeln auch kompostierbare Einwegwindeln.
Was sind aus deiner Sicht die entscheidenden Argumente für Stoffwindeln beim Thema Nachhaltigkeit?
Den Traum von der kompostierbaren Wegwerfwindel werden wir wohl noch einige Zeit träumen, bisher gibt es keine Wegwerfwindel, die zu 100% kompostierbar ist. Leider wird Verbraucher:innen durch „greenwashing“- Konzepte der großen Wegwerfwindelhersteller und Slogans wie „plastic sucks“ suggeriert, hier gäbe es eine echte plastikfreie Wegwerfalternative. Die gibt es nicht. Ohne Plastik kommt stand jetzt keine Wegwerfwindel aus. In Deutschland dürfen weder Plastik noch Fäkalien in die Biotonne. Recyclingkreisläufe, die Fairwindel & Co kompostieren oder recyceln könnten, existieren noch nicht. Trotz allem freue ich mich über das Bestreben der Wegwerfwindelindustrie nachhaltiger zu werden und auf die chemiebasierten Superabsorber zu verzichten, die neben der Umwelt leider auch Babys Haut schaden.

Das entscheidende Argument für Stoffwindeln ist: wiederverwenden ist immer nachhaltiger als wegwerfen. Ja, auch wenn wir Wasser und Strom verbrauchen. Wir haben es selbst in der Hand, wie ökologisch die Stoffwindel ist. Wenn wir die Windeln bei 60, statt 90 Grad waschen, auf der Leine trocknen, statt im Trockner und uns im Kaufverhalten zügeln (brauchen wir wirklich die 50. Überhose?) kann man die vermeintlich so schlechte Ökobilanz der Stoffwindel sogar noch positiv beeinflussen. Bei der Wegwerfwindel haben wir keinerlei Einfluss auf die Ökobilanz. Sie verbraucht CO2 in der Herstellung und in der Entsorgung und verweilt dann noch viele Jahre als giftige Schlacke auf unserem Planeten.
Der kostenvergleich
Um Stoffwindeln konsequent zu benutzen, muss sich eine Familie erst einmal ein ganzes Stoffwindel-Paket anschaffen. Dabei sind meistens mit Kosten zwischen 500 bis 1200 Euro zu rechnen. Wie auch bei anderen Zero Waste Themen wie beispielsweise dem Einkauf im Unverpackt-Laden ist es für reichere Familien deutlich leichter, auf nachhaltige Alternativen umzusteigen. Einige Städte und Gemeinden unterstützen daher den Kauf von Stoffwindeln mit einem sog. Stoffwindelzuschuss. München hat diesen Zuschuss nicht.
Siehst du im Stoffwindelzuschuss ein Potenzial, um Stoffwindeln zu verbreiten? Siehst du noch weitere Möglichkeiten, wie sich auch Familien mit begrenzten finanziellen Mitteln Stoffwindeln leisten können?

Ja, der hohe Anschaffungspreis von Stoffwindeln ist natürlich auf den ersten Blick ein Abturner. Gerechnet auf die gesamte Wickelzeit von durchschnittlich 3 Jahren spart man allerdings eine Menge Geld – je nach Hersteller etwa 500-1.000€ – und ist dann schon für das zweite, dritte oder vierte Kind ausgestattet.
Klar, der Stoffwindelzuschuss ist definitiv ein Anreiz für eine Stoffwindelausstattung und auch eine finanzielle Unterstützung für frisch gebackene Eltern. Ganz nebenbei spart auch die Stadt so eine Menge Geld, da Entsorgungskosten vermieden werden. Leider gibt es den Zuschuss momentan nicht in München, ist aber im kürzlich verabschiedeten „Zero-Waste-City-Munich“ Konzept verankert. Wann und wie hoch er ausfallen wird, steht leider noch nicht fest; Gemeinden wie Starnberg oder Fürstenfeldbruck bieten den Zuschuss bereits an. Auf Deine-Stoffwindel.de kann man sich informieren, ob die eigene Gemeinde einen Zuschuss anbietet.
Stoffwindeln können übrigens auch wunderbar Second-Hand gekauft bzw. verkauft werden, so kann man direkt den CO2-Abdruck verringern und Geld sparen. Wenn man mögliche Fehlkäufe vermeiden möchte – nicht jede Stoffwindel passt jedem Kind – kann man Miet- und Testpakete bei Stoffwindelberater:innen, Hebammen oder Doulas buchen und sich eingehend beraten lassen. Auch das spart Geld und Ressourcen.

geruchsarm und ohne Chemie
Mit welchen Vorurteilen gegenüber Stoffwindeln wirst du häufig konfrontiert? Und wie würdest du Familien ermutigen, dennoch auf Stoffwindeln umzusteigen?
Am häufigsten werde ich gefragt, ob das nicht super eklig ist und stinkt. Aber: wir werden so oder so mit den Ausscheidungen unserer Babys konfrontiert, egal ob Stoffwindel oder Wegwerfwindel. Stoffwindeln UND Wegwerfwindeln können auslaufen. Die größten „Kaka-Unfälle“ hatten wir allerdings mit Wegwerfwindeln.
Was mich damals selbst am meisten verblüfft hat: Stoffwindeln sind geruchsneutral. Sobald allerdings in der Wegwerfwindel Urin in Kontakt mit dem Superabsorber kommt, fängt es an stark chemisch zu stinken. Viele Familien lagern den Windelmüll daher in speziellen Windeleimern, die übrigens eine zusätzliche Umweltbelastung darstellen, oder draußen auf dem Balkon. Jedoch sind Baby-Urin und Milchstuhl in der Stoffwindel bei korrekter Lagerung der dreckigen Saugeinlagen von sich aus geruchsarm.
Letztendlich entscheidet jede:r für sich, ob er oder sie mit Stoff wickeln möchte. Wichtig ist mir nur, dass möglichst alle Eltern die Stoff-Alternative kennen. Denn auch sehr häufig höre ich: „Ach, Stoffwindeln? Die gibt es wieder?“. Da braucht es noch viel Aufklärungsarbeit.
Ist Zero Waste Realistisch?
Müllvermeidung ist für eine Familie mit Kindern sicher kein einfaches Thema. Zeit und Geld sind knapp und die Kinder brauchen regelmäßig neues Spielzeug und neue Klamotten…
Was bedeutet das Zero Waste für dich? Wie erlebst du das Thema als junge Familie?
„Zero Waste“ ist für mich in meinem Alltag eine Utopie und vielleicht fühlen sich auch andere Eltern von diesem Begriff unter Druck gesetzt, nach dem Motto:„Entweder ganz oder gar nicht. Dann lass ich es“. Dabei finde ich viel wichtiger zu schauen, wo kann ich ganz unkompliziert im Alltag Müll einsparen. Z.B. Milch oder Joghurt in Glasflaschen kaufen, der selbst mitgebrachte Einkaufsbeutel, oder eben 1 Stoffwindel pro Tag nutzen. Denn jede Windel, jede Plastikverpackung, die nicht im Müll landet ist ein Gewinn. „Zero Waste“ soll nicht überfordern, sondern Chancen schaffen. Ich nenne es daher lieber „Less Waste“.

Tatsächlich hat die Geburt meiner Tochter Einiges bei mir in Gang gesetzt, denn natürlich möchte ich ihr nicht einen vermüllten Planeten überlassen. Ich bin im Badezimmer nun weites gehend auf plastikfreie oder verpackungsarme Alternativen umgestiegen: waschbare Slipeinlagen, waschbare Kosmetikpads, Menstruationstasse, festes Shampoo etc. Wir haben viel gebraucht gekauft, z.B. Kinderwagen, Kinderstuhl, Klamotten. Und oft meint man, Babys bräuchten alles mögliche an Spielzeug. Meine Tochter war glücklich, wenn sie auf einem Löffel rumkauen konnte, und hat das meiste Babyspielzeug verschmäht. Mit Babys kann man sehr gut minimalistisch leben, und gleich schon die Werte des bewussten Lebensstils an die nächste Generation weitergeben. So erlebe ich das in das unserer Familie.

Infos zu Wind'l fürs Kind'l
Du möchtest gern auf Stoffwindeln wechseln, dir selbst ein Bild von Stoffwindeln machen oder Klara von Wind’l fürs Kind’l unterstützen? Alle Infos findest du auf der Webseite des Projekts.
